Antifaschistische Mobilisierung nach Heilbronn und Schwäbisch Hall: Gegen Nazis und ihre Helfer!


In der kommenden Woche findet in Heilbronn die erste von zwei Demonstrationen in Baden-Württemberg statt, die sich am im Kontext des zweiten Jahrestages mit der Aufdeckung der NSU-Struktur befasst und das Versagen der Behörden und deren Kooperation mit Neonazis thematisiert. Gemeinsam mobilisieren viele gesellschaftliche Gruppen, Initiativen und Organisationen im Bündis „Naziterror und Rassismus stoppen – Verfassungsschutz auflösen” zu der Demonstration nach Heilbronn und zwei Wochen später nach Schwäbisch Hall. Mit unserem Aufruf wollen wir die Mobilisierung zu den beiden Demonstration mit einer eigenen Position ergänzen.

Gegen Faschisten und ihre Helfer!
> Seit nunmehr zwei Jahren ist die Existenz des selbsternannten „Nationalsozialistischen Untergrunds“ (NSU) in der Öffentlichkeit bekannt. Ein faschistisches Netzwerk hatte sich unbehelligt und wahrscheinlich oft unter Beobachtung von einigen staatlichen Institutionen jahrelang durch die Bundesrepublik gemordet. Ergebnis sind mindestens zehn Morde an Migranten und einer Polizistin sowie zwei Bombenanschläge. Das Interesse an der Aufklärung dieser Taten von Seiten der Ermittlungsbehörden hält sich deutlich in Grenzen und richtet sich erst seit dem Fund der Tatwaffe gegen neonazistische Kreise. Die staatlichen Ermittlungen sind geprägt von angeblichen Pannen und Verbindungen seitens des Verfassungsschutzes zum direkten Umfeld des „NSU“ über sogenannte V-Leute, bringen jedoch keine Ermittlungserfolge, sondern lediglich die Gewissheit über Finanzierung und Aufbau rechter Strukturen durch staatliche Organe mit sich.
Gerade deswegen ist es notwendig, dass wir als antifaschistische Kräfte uns die Straße nehmen um die Wichtigkeit eines starken Selbstschutzes zu verdeutlichen. Dabei ist es nicht ausreichend, sich auf die Gesetze oder die Verfassung derer zu beziehen, die faschistische Entwicklungen dulden oder gar fördern. Wir müssen eigene Perspektiven im Kampf gegen Nazis entwickeln und diese umsetzen.

> Wie sich im Laufe der langsamen und schleppenden Ermittlungen, der Untersuchungsausschüsse und Gerichtsverhandlungen nun langsam herauskristallisiert, umfasste der sogenannte „NSU“ mit Sicherheit größere Dimensionen, als lediglich drei bewaffnete Nazis mit vereinzelten Kontakten in die faschistische Szene. Das Unterstützernetzwerk reichte und reicht von militanten Kameradschaften, über NPD-Funktionäre, rechte Anwälte, bis hin zu verbotenen internationalen Szeneorganisationen wie „Blood & Honour“. Selbst nach dem Auffliegen des „NSU“ solidarisieren sich verschiedene Neonazistrukturen mit diesem, sammeln Unterstützungsgelder und nehmen auf Demonstrationen öffentlich Bezug zum faschistischen Netzwerk.
Das Phänomen bewaffneter Faschisten ist kein Einzelfall und der „NSU“ stellt nur die Spitze des Eisbergs dar: Erst vor wenigen Wochen haben AntifaschistInnen bei der Durchsuchung eines Nazi-Grundstückes bei Göppingen diverse Waffen sichergestellt, während Polizeirazzien bei der Nazigruppe „Standarte Württemberg“ bereits im Jahr 2011 im Kreis Heilbronn und im Rems-Murr Kreis Schusswaffenfunde mit sich brachten. Ein weiteres Beispiel sind auch die von der NATO und Geheimdiensten im „Kalten Krieg“ gebildeten „Stay behind“ Strukturen, die gezielt militante Faschisten rekrutierten und zu denen es bis heute nur sehr wenige öffentlich bekannte Erkenntnisse gibt.

> Die Rolle des Verfassungsschutzes im Kontext der militanten faschistischen Netzwerke ist noch lange nicht erfasst – dass eine vollständige Aufarbeitung der Zusammenhänge zwischen staatlichen Stellen und Nazis überhaupt in die Öffentlichkeit getragen wird, ist nicht zu erwarten. Die Erschütterung der Selbstdarstellung als vermeintlich demokratifreundlicher Inlandsgeheimdienst hat schließlich schon genügend unbequeme Fragen aufgeworfen.
Fest steht: Die vom Verfassungsschutz geschürte „Extremismustheorie“, mit der Faschisten und linke Politik gleichgesetzt werden sollen, dient gerade heute einzig der Relativierung der gefährlichen Aufrüstung faschistischer Gruppen. Da verwundert es wenig, dass der Verfassungsschutz sich Ende der 1940er Jahre, ähnlich wie der Bundesnachrichtendienst (BND) oder das Bundeskriminalamt (BKA), in seinen Anfangsjahren aus hochkarätigen Nazikreisen rekrutierte. Die Institution wurde schon bei der Gründnung nicht zur konsequenten Durchsetzung und Aufrechterhaltung einer entnazifizierten Gesellschaft verstanden. Den Hintergrund bildete vielmehr die bundesrepublikanische Frontrolle im Kalten Krieg im Kampf gegen die damaligen sozialistischen Staaten.

> Und heute? Im vermeintlichen Kampf gegen Rechts glänzt der Verfassungsschutz mit vernichteten Akten, Gedächtnislücken, abgeschalteten und verschwundenen V-Leuten, und die Polizei mit rassistischen Ermittlungsmethoden. Währenddessen verbrennt ein wichtiger Zeuge im Prozess gegen den „NSU“, der selbst in der rechten Szene aktiv war, auf dem Weg zum Verhör beim LKA in Stuttgart auf mysteriöse Art und Weise in seinem Auto: Für Vermutungen und Ahnungen gibt nicht nur dieses Ereignis Anlass genug. Dennoch scheint sich der Großteil der bürgerlichen Presse nicht besonders für Hintergründe und Analysen dieses Komplexes zu interessieren, von öffentlichem Druck auf Ermittlungsorgane ganz zu schweigen.
Dass Rassismus ein gesellschaftliches Problem darstellt und nicht nur ein rechtes „Randphänomen“ ist, zeigen unter anderem aktuelle Debatten zur Flüchtlingspolitik oder beispielsweise. der Anklang, den bürgerliche Hetzer wie Thilo Sarrazin in weiten Teilen der Bevölkerung finden. Die Ermittlungen der Polizei in Bezug auf die Morde des „NSU“, die aufgrund der stereotypen Annahme einer „Ausländerkriminalität“ und trotz vieler konkreter Hinweise auf einen migrantenfeindlichen Hintergrund, lediglich auf das Umfeld der Opfer abzielten, zeigen deutlich, dass staatliche Behörden ein Teil des Problems sind.

> Aber was heißt das für uns? Wie kann ein selbstbestimmter Antifaschismus vor dem Hintergrund der staatlichen Deckung bewaffneter faschistischer Gruppen aussehen? Eines ist klar: Von staatlicher Seite können wir keinen effektiven Schutz erwarten, vielmehr müssen wir uns selbst organisieren, um uns gegen Übergriffe von rechts sowie rassistische und menschenfeindliche Hetze zur Whr zu setzten. Ein antifaschistischer Selbstschutz, konkret der Schutz fortschrittlicher Politik gegen reaktionäre Angriffe, ist unabdingbar.
Was uns beim alltäglichen Kampf gegen Rechts von staatlicher Seite auf der Straße entgegengebracht wird, zeigt ganz praktisch in welchem Verhältnis die Behörden zu einem effektiven Antifaschismus stehen. Knüppel, Reizgas, Wasserwerfer unmittelbar gegen Proteste, Unmengen an Prozessen und Ermittlungsverfahren im repressiven Nachklang. Der Verfassungsschutz als Kontaktbörse für Nazis und Schnüffelinstanz gegen AntifaschistInnen steht dem in Nichts nach.
Staatliche Behörden können kein Ansprechpartner für antifaschistische Politik sein, ganz egal mit welchen Versprechungen Politiker und sonstige Vertretungen auch aufwarten. Der Kampf gegen den Faschismus ist die Aufgabe all derer, die unabhängig von staatlicher Taktiererei und Selbstprofilierung Positionen entwickeln können. Es gilt dabei, ein eigenes Verständnis für effektive Handlungsoptionen herauszuarbeiten und die Hintergründe des Faschismus und seiner Grundlagen in der kapitalisitischen Gesellschaft offenzulegen. Dafür schließen wir uns eigenständig zusammen und organisieren uns. Verbündete und PartnerInnen finden sich in den verschiedensten Spektren: Gewerkschaften, Jugendorganisationen Parteien, soziale Initiativen. Bei allen politischen Unterschieden lassen sich im Kampf gegen Nazis immer wieder gemeinsame Nenner finden – ohne dabei die eigenen Positionen fallen zu lassen.

> Denn: Im Gegensatz zum bürgerlichen Staat und seinen Organen sind wir objektive GegnerInnen des Faschismus. Nazis und die Geheimdienste der BRD teilen nicht nur gemeinsame geistige und tatsächliche Urväter, sondern sind sich vor allem einig in Frage des Antikommunismus.
Unsere Forderung nach einer gemeinsamen Front aller antifaschistischen Kräfte darf dabei nicht bei einigen Phrasen stehen bleiben, sie muss sich in konkreten Taten, praktischer Organisierung, offensivem Handeln und der Auseinandersetzung mit dem Faschismus als Ideologie, Bewegung und Herrschaftsform widerspiegeln. Dazu gehört auch eine Auseinandersetzung mit unserer Geschichte und die daraus resultierende organisatorische Grenze zu anderen politischen Teilbereichen.
Auf nach Heilbronn und Schwäbisch Hall!

Die antifaschistische Aktion aufbauen!

Ein Aufruf von: Antifaschistische Aktion Lörrach | Antifaschistische Aktion (Aufbau) Rastatt / Baden-Baden | Antifaschistische Aktion (Aufbau) Stuttgart | Antifaschistische Aktion [o] Villingen-Schwenningen | Antifaschistische Jugend Mannheim / Ludwigshafen | Antifaschistische Linke Bühl/Achern