Solidarität mit Hanna und allen anderen Beschuldigten im „Budapest-Komplex“
Am 19. Februar 2025 beginnt vor dem Staatsschutzsenat des Oberlandesgerichts München der Prozess gegen Hanna. Der Antifaschistin aus Nürnberg wird vorgeworfen, gemeinsam mit Anderen im Sommer 2023 im ungarischen Budapest Nazis beim sogenannten „Marsch der Ehre“ angegriffen und verletzt zu haben. Aus ganz Europa kommen Faschist:innen dort zusammen und huldigen in Wehrmachts- und SS- Uniformen verkleidet dem deutschen Faschismus. Das menschenverachtende Treiben findet nicht zufällig dort statt, wird es doch von der ungarischen Regierung unter dem stramm rechten Präsidenten Victor Orbán nicht nur geduldet, sondern mit einem gewissen Wohlwollen betrachtet.
Es sind allein antifaschistische Strukturen, die sich im rechts-autoritären Ungarn diesem Treiben entgegen stellen – 2023 auch militant. Für die deutsche Bundesanwaltschaft ist die notwendige und legitime antifaschistische Intervention in Budapest Anlass, Hanna unter anderem wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung und versuchtem Mord anzuklagen. Hanna ist nicht die einzige Betroffene, auf die zur Jagd geblasen wird. Seit mehr als zwei Jahren läuft eine europaweite Repressionswelle gegen Antifaschist:innen, denen vorgeworfen wird Teil der Budapester Ereignisse gewesen zu sein. Viele Verfolgte hatten sich den Behörden durch Untertauchen entzogen, europaweit gab es Verhaftungen und in Ungarn schon ein erstes Urteil.
Wer gegen Nazis kämpft, der kann sich unserer Solidarität sicher sein. Sie gilt Hanna in der JVA Stadelheim, sie gilt Maja in ungarischer und Gino in französischer Haft. Sie gilt allen im „Antifa-Ost“ und „Budapest-Komplex“ Beschuldigten, Eingeknasteten und Verfolgten – ohne wenn und aber.
Die deutsche Geschichte und vor allem deren jüngste Geschehnisse zeigen überdeutlich, dass Menschenketten, Großdemonstrationen und große Worte alleine bei weitem nicht ausreichen, um rechte Gewalt und das Erstarken faschistischer Strukturen nachhaltig zu bekämpfen. Es braucht das ernsthafte und praktische Dagegenhalten: Mit Blockaden von Naziaufmärschen, indem Faschist:innen die öffentlichen Bühnen genommen werden, mit Gewerkschaftler:innen, die Nazis aus den Betrieben halten, mit breiten Zusammenschlüssen aller, die es im Kampf gegen Rechts ernst meinen und eben auch mit offensiven Formen des antifaschistischen Selbstschutzes – so wie in Budapest.
Wer gegen Nazis kämpft, der kann sich auf den Staat nicht verlassen. Im Gegenteil, er/sie muss damit rechnen, von diesem bekämpft zu werden. Im „Budapest-Komplex“ mit einer Härte, die die politische Motivation der Behörden überdeutlich zu Tage treten lässt.
Der Prozess gegen Hanna ist das erste Verfahren aufgrund der Angriffe, welches in Deutschland geführt wird. Zuvor wurde bereits Maja, ebenfalls beschuldigt, in einer Nacht-und-Nebel-Aktion an die ungarischen Behörden ausgeliefert – eine selbst nach deutschem Recht illegale Aktion. Und auch gegenüber denjenigen, denen die deutschen Behörden mittlerweile habhaft wurden oder die sich selbst stellten, ist keine Milde zu erwarten. Ihnen allen droht entweder ein Verfahren und lange Haftstraßen in Deutschland oder, noch schlimmer, die Auslieferung nach Ungarn. Haben linke Aktivist:innen schon vor deutschen Gerichten nichts zu erwarten, übersteigt sowohl die ungarische Justiz als auch deren Knastsystem bei weitem die Härte der BRD.
Viele Jahre ist es her, dass zuletzt so viele Antifaschist:innen hier in den Knästen saßen. Viele Jahre ist es her, dass für Antifaschist:innen so viel auf dem Spiel stand.
In der kommenden Zeit muss deshalb die praktische Solidarität mit den Verfolgten und Verhafteten ein gewichteter Teil der antifaschistischen Bewegung sein. Es wird an uns als Bewegung liegen, ob es uns gelingt genügend gesellschaftlichen Druck aufzubauen, um eine Auslieferung in die ungarischen Knäste zu verhindern. Das wird kein leichter Kampf. Mit der Anklage wegen versuchten Mordes und Bildung einer kriminellen Vereinigung, den Öffentlichkeitsfahndungen, den zahlreichen Razzien und dem Druck auf Angehörige, legt der deutsche Staat genauso viel Engagement an den Tag wie Ungarn selbst.
Warum dieser Verfolgungswille und die Härte der deutschen Behörden? Die Angriffe auf die Nazis in Budapest sind nicht im luftleeren Raum passiert. Sie fallen in eine Zeit der sich verschärfenden gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Krise und der europaweiten Rechtsentwicklung als Reaktion darauf. Und sie fallen in eine Zeit, in der Hunderttausende zu Großdemonstrationen gegen Rechts auf die Straße gehen.
Noch sind dies nur symbolische Lippenbekenntnisse. Doch was, wenn größere Teile dieser Bewegung erkennen, dass die bürgerliche Politik gar kein wirkliches Interesse daran hat, die Rechtsentwicklung zu stoppen und die Faschist:innen in die Schranken zu weisen? Was, wenn größere Teile der lohnabhängigen Klasse erkennen, dass nur in der Überwindung der bürgerlichen Ordnung der Schlüssel liegt, die faschistische Gefahr ein für alle mal zu beseitigen? Und was, wenn mehr Menschen zu der Erkenntnis kommen, dass nur das eigeninitiative Handeln den Faschist:innen Einhalt gebietet?
Die Repression trifft in dieser Situation nicht ohne Grund all jene, die sich den Faschist:innen in den Weg stellen und damit das staatliche Gewaltmonopol praktisch in Frage stellen. Die Repression ist die Antwort der Herrschenden auf die sich zuspitzenden Widersprüche. Es ist auch eine Form der präventiven Aufstandsbekämpfung – auch wenn momentan noch kein Aufstand abzusehen scheint.
Am 19. Februar jährt sich der Anschlag von Hanau, bei dem neun Menschen aus rassistischen Motiven erschossen wurden, zum fünften Mal. Es mag sein, dass die Eröffnung des Prozesses gegen Hanna und der Jahrestag zufällig aufeinander fallen. Gewollt oder ungewollt beleuchtet das Datum jedoch die beiden Seiten derselben Medaille. Hanau hat gezeigt, wie weit die tödlich faschistische Gewalt in der BRD entwickelt ist und wie allgegenwärtig die Gefahr für Menschen ist, die nicht in ein rechtes Weltbild passen. Hanna und viele andere Antifaschist:innen haben gezeigt, wie notwendig deswegen aktive Gegenwehr ist – und zwar bevor etwas passiert und nicht erst dann, wenn es zu spät ist.
An Hanna soll in München ein Exempel statuiert werden. Es geht darum, militanten Antifaschismus zu delegitimieren und zu isolieren. Und es geht auch darum, Andere davon abzuhalten dem Beispiel von Hanna zu folgen und Nazis direkt zu bekämpfen. Beiden Versuchen sollte die antifaschistische Bewegung geschlossen entgegentreten und selbstbewusst sagen: Antifaschismus bleibt notwendig. Gerade jetzt. Auf allen Ebenen, mit allen Mitteln.
Deswegen: Auf die Straße, auf nach München.
19. Februar 2025 | München | Kundgebung zum Prozessbeginn 7.30 Uhr OLG München der JVA Stadelheim (Stettnerstraße 10)
22. Februar 2025 | München | Überregionale Demonstration 14 Uhr, Stachus
Aufruf als PDF: AFA-SÜD_Aufruf_Prozess_Hanna_München2025