Uneingeschränkte Solidarität mit den im Antifa-Ost-Verfahren verurteilten Antifaschist:innen
Nun ist es also gesprochen, das Urteil im Antifa-Ost-Verfahren. 13 Jahre und 11 Monate Haft wurden in Summe über diejenigen verhängt, die sich der Gefahr bewaffneter Faschist:innen selbstbestimmt angenommen hatten. Niemand hat – mit all der Vorgeschichte – ein anderes Urteil erwartet. Doch jetzt, wo es ausgesprochen ist, trifft es uns trotzdem. Dass dem Kampf gegen Rechts mit einem Mal so viele Genoss:innen mit Einschüchterung, Knast und Exil genommen wurden, ist ein schwerer Schlag für uns alle.
Wir rufen dazu auf, ein starkes Zeichen der Solidarität mit Lina und ihren Genoss:innen zu setzen. Das Gefühl der Ohnmacht zu durchbrechen, noch bevor es sich in der antifaschistischen Bewegung breit macht. Geht deshalb heute am Tag der Urteilsverkündung und am 03. Juni 2023 in Leipzig auf die Straße!
Doch was kommt danach?
Das Urteil in Dresden und das gesamte Drumherum hat für die staatlichen Behörden eine wichtige Funktion. Mit dem „Antifa-Ost-Verfahren“ greifen die Behörden gezielt die militante Ebene des antifaschistischen Kampfes an. Sie soll isoliert und delegitimiert werden. Nicht nur gesellschaftlich, sondern auch innerhalb der antifaschistischen Bewegung. Das geschieht nicht ohne Grund. So gab und gibt es doch im Kampf gegen Rechts ein jahrzehntelang gewachsenes Bewusstsein für die Notwendigkeit militanter Aktionen als Teil eines vielschichtigen und am Ende erfolgreichen Kampfes gegen alte und neue Rechte. Niemand vergießt für ein paar verletzte Nazis Tränen – das war breit getragener Konsens. In der Bewegung, in Bündnissen, in nicht unwesentlichen Teilen der Gesellschaft. Dieser Konsens muss bleiben. Weil er richtig ist, weil er notwendig ist.
Die Geschichte hat gezeigt: Bewaffnende und mordende Faschist:innen lassen sich nicht durch gut zureden, kleinreden oder „Flagge zeigen“ vermeintlicher Mehrheiten aufhalten. Ein wirksamer Antifaschismus muss sich auch an unmittelbaren Notwendigkeiten orientieren – nicht an pazifistischen Idealen oder bürgerlichen Gesetzbüchern. Ein Umstand, den sich niemand ausgesucht hat, an dem aber auch kein Weg vorbeiführt.
Genau diese Erkenntnis greift der Urteilsspruch in Dresden an. Es liegt an uns allen den politischen Angriff ins Leere laufen zu lassen. Auch indem wir die Frage der Legitimität nicht nur innerhalb der Bewegung stellen, sondern sie politisch herleiten und in weitere Kreise tragen und dort verteidigen.
Gleichzeitig dürfen wir nicht vergessen: Der militante Kampf gegen Nazis ist – in Anbetracht deren Gewaltbereitschaft – zwar notwendig, um nicht zu verlieren. Gewonnen wird der Kampf gegen den Faschismus aber politisch.
In der BRD sitzen die Faschist:innen wieder in größerer Anzahl in den Parlamenten und sie werden von dort auch so schnell nicht wieder verschwinden. „AfD“ und Co prägen durch ihre parlamentarische Präsenz nicht nur wie selbstverständlich gesellschaftliche Diskurse mit, sondern bieten der rechten Bewegung, bis hin zu deren bewaffneten Teilen, politischen Rückhalt. Die Normalisierung dessen heißt leider auch, dass ein breiter Widerstand dagegen zu bröckeln beginnt. Gegen Rechts zu sein ist schon lange keine Selbstverständlichkeit mehr. Gleichzeitig werden die Rechten in Anbetracht einschneidender Krisen und einer fehlenden linken Perspektive zur (Wahl-)option für viele Menschen.
Um daran etwas zu ändern führt kein Weg daran vorbei, Antifaschismus als Bewegung wieder fest in der Breite unserer Klasse zu verankern.
Antifaschismus wird in den letzten Jahren vermehrt zur Zielscheibe der Behörden, auch und gerade weil er der Teil linker und revolutionärer Politik ist, der noch in der Lage ist, punktuell eine Straßenmacht zu entfalten. Lappalien ziehen mittlerweile harten Strafen nach sich. Lina und die anderen Angeklagten waren nicht die ersten und sie werden auch nicht die letzte Antifaschist:innen in Haft sein. Jo, Dy & Findus befinden sich ebenfalls wegen verschiedener antifaschistischer Aktionen hinter Gittern. Das Verhältnis zu den Genoss:innen in Haft zu organisieren und sie von außen zu unterstützen, muss deswegen flächendeckend Teil unserer Arbeit werden.
Den eigentlichen Kampf gegen den Faschismus dürfen wir aber nicht aus den Augen verlieren.
Ob innerhalb oder außerhalb der Knastmauern: Der antifaschistische Kampf muss weiter geführt werden. Das bedeutet für uns nicht aufzugeben, sondern im Gegenteil ihn tagtäglich weiter auszubauen, verbindliche Organisationen und breite Bündnisse zu schaffen und unseren Kampf dadurch fest in der Gesellschaft zu verankern. Neben der direkten Unterstützung der Gefangenen ist das die stärkste Form der Solidarität, die wir leisten können.
Freiheit für alle inhaftierten Antifaschist:innen!
Viel Kraft und Zuversicht allen Verurteilten und Betroffenen.
Antifaschismus bleibt notwendig.
Antifaschistische Aktion Süd, 31. Mai 2023