Januar 2015:
Innerhalb weniger Monate hat sich insbesondere im Osten der Republik eine neuerliche rassistische (Massen-) Dynamik entwickelt. Aufgepeitscht von rassistischen Phrasen und der vermeintlichen Kritik an „Denen da oben“ ziehen Woche für Woche Tausende durch die Straßen Dresdens. Versuche ähnliche Veranstaltungen außerhalb der sächsischen Landeshauptstadt zu organisieren blieben bisher weitgehend überschaubar, gingen bei den Teilnehmenden nicht über die einschlägig bekannte rechte Szene hinaus, und scheiterten oftmals am antirassistischen Widerstand.
So vermeintlich neu und unerwartet, wie gerade die bundesdeutschen Medien PEGIDA präsentieren, ist die politische Bewegung nicht. Einzig der Mobilisierungserfolg auf den Straßen Dresdens unterscheidet die Bewegung von den Versuchen rassistischer Mobilmachung in den vergangenen Jahren. Die aktuellen Ereignisse erinnern zudem nur allzu offensichtlich an die BRD der frühen 90er Jahre. Damals war schon einmal ein von rassistischen Ressentiments aufgestachelter Mob durch die Straßen der Republik gezogen, Flüchtlingsunterkünfte wurden angezündet, die Republikaner erzielten zweistellige Wahlergebnisse und die CDU/FDP-Regierung schuf das Recht auf Asyl faktisch ab.
Zu Beginn der 90er Jahre waren es zu wenige, die sich zu spät der rassistischen Mobilmachung in den Weg stellten und zu konkreten Gegenmaßnahmen griffen. Das Wissen um die marodierenden rassistischen Horden in Rostock-Lichtenhagen 1992, dem von Neonazis verübten Brandanschlag in Solingen 1993 mit fünf Toten und die unzähligen Angriffe und rassistischen Aufmärsche dieser Zeit zwingen uns, den aktuellen Entwicklungen frühzeitig, massiv und entschieden entgegenzustehen.
Aufwind für Rechtspopulisten
Die aktuelle Dynamik rechtspopulistischer Kräfte ist nicht im luftleeren Raum entstanden. Mit der selbsternannten „Alternativen für Deutschland (AfD)“ ist es in den vergangenen Jahren gelungen, dem zersplitterten rechtspopulistischen Lager eine Heimat zu geben und eine relevante Kraft rechts von CDU und CSU zu etablieren, die in der Lage ist tatsächliche Wahlerfolge zu feiern.
Standen zur Parteigründung noch marktradikale Thesen im Vordergrund, setzten sich aktuell mehr und mehr die offen rassistische Kräfte im innerparteilichen Machtkampf durch. Der vor Kurzem vollzogene Schulterschluss mit den PEGIDA-Organisatoren ist daher nur der nächste konsequente Schritt auf dem Weg, auch in der BRD endlich eine rechtspopulistische Kraft zu etablieren, die in weiten Teilen der Gesellschaft Akzeptanz genießt und reale politische Erfolge verbucht. Die gleiche Rhetorik und die gleichen Phrasen sowie viele personelle Überschneidungen bestätigen die ideologische und organisatorische Nähe.
Der Kampf gegen die vermeintliche „Islamisierung Europas“ hat sich für die Rechten dabei als Feld entpuppt auf dem sie aktuell in der Lage sind, den in weiten Teilen der Gesellschaft verbreiteten Unmut und das Bewusstsein über soziale Missstände zu kanalisieren, politisch zu vereinnahmen und zumindest punktuell auf der Straße zu bündeln.
Hinter dem von amerikanischen Neoliberalen geprägten Begriff der „Islamisierung“. verbirgt sich die rechte Verschwörungstheorie von der schleichenden Unterwanderung Europas durch den Islam und dessen zersetzender Wirkung auf die gesellschaftlichen Realitäten des Westen. Ideologische Grundlage für Thesen, wie sie beispielsweise von geistigen Brandstiftern wie SPD-Mitglied Thilo Sarazin oder Ex-Spiegel-Autor Hendrik M. Broder verbreitet werden, ist ein kulturell begründeter, islamophober Rassismus. Ausgehend von der These der Überlegenheit des eigenen Kulturraums wird eine als paranoid zu bezeichnende Angst vor dem Islam geschaffen. Der Islam wird nicht aus religionskritischer Sicht, sondern mit rassistischen Ressentiments angegriffen. Der gesamten Religion, unabhängig ihrer Konfessionen und Auslebungen wird pauschalisierend eine kulturelle und soziale Rückständigkeit zugeschrieben.
Mit diesen Phrasen wird keine Alternative zu politischen und sozialen Missständen geliefert. Stattdessen wird versucht einen sozialen Zusammenhalt und kollektiven Umgang hin zu besseren Verhältnissen zu verhindern.
Doch die Herausforderung gegen eine Erstarkung rechter Positionen und Gruppierungen, sowie rassistischer Dynamiken vorzugehen ist keineswegs nur auf Deutschland beschränkt. Was sich hier anbahnt ist in einigen Ländern schon in vollem Gange oder bereits vollbracht. Beinahne in allen deutschen Nachbarländern, sowie in Norwegen oder auf dem Gebiet des ehemaligen Jugoslawiens, ist ein Rechtsruck nicht nur in den Parlamenten weit voran geschritten. In Ungarn ist eine Regierungskoalition aus Rechtspopulisten und Faschisten an der Macht, in der Ukraine stellen die Faschisten Minister, kontrollieren Teile des Militärs und der Polizei und terrorisieren Linke und Andersdenkende. Die aktuelle Situation ist nicht zu unterschätzen.
Die erwünschten Unmenschen
Dass die PEGIDA-Bewegung den Herrschenden freilich nicht ungelegen kommt liegt auf der Hand. Es sind insbesondere Roma aus dem ehemaligen Jugoslawien und Flüchtlinge aus Syrien die mit ihren Anträgen die Zahl der Asylverfahren in den letzten Jahren um ein Vierfaches auf mittlerweile knapp 120.000 ansteigen haben lassen. Einem Trend dem die Institutionen des bürgerlichen Staates bisher wenig entgegensetzen konnten.
Dabei ist die BRD in beiden Regionen maßgeblich für die dortige Situation mitverantwortlich. So waren es Ende der 90er Jahre deutsche Tornados, die sich mit den Bombardements auf Belgrad im Auftrag einer rot-grünen Bundesregierung am ersten Angriffskrieg von deutschem Boden aus nach dem Ende des zweiten Weltkriegs beteiligten. Aktuell interveniert die Bundeswehr mit Patriot-Einheiten in den syrischen Bürgerkrieg. In beiden Fällen hinterlassen die militärisch durchgesetzten, wirtschaftlichen Interessen der BRD eine Region im Bürgerkrieg und verursachen massive Flüchtlingswellen in Richtung Kerneuropa.
Die durch die Zustimmung der baden-württembergischen Landesregierung möglich gewordene Verschärfung der Asylgesetzgebung wirkt vor diesem Hintergrund wie blanker Hohn gerade für die auf dem Balkan lebenden Roma. Diese sehen sich seit dem Zerfall Jugoslawiens den wiederkehrenden nationalistischen Wellen mit pogromartigen Zuständen nahezu hilflos ausgesetzt.
Rechte Ideologie in der „Mitte der Gesellschaft“
Die von rechten Kräften eingeforderte Regulierung der Einwanderung hat zum Ziel Menschen nach Kriterien der wirtschaftlichen Verwertbarkeit aus zu sortieren und diese zur Grundlage für ein mögliches Bleibe- bzw. Asylrecht in der Bundesrepublik zu machen. Mit sozialdarwinistischen Debatten bieten sie einen Nährboden, mit Verschärfungen im Asylrecht, rassistischen Polizeikontrollen und ständigen Versuchen, den staatlichen Überwachungsapparat auszubauen, vollziehen die bürgerlichen Parteien die praktische Umsetzung der Forderungen der Rechten. Die Profiteure dieser Praxis stehen ganz oben in den gesellschaftlichen Machtverhältnissen – das deutsche Kapital.
Was tun?
Es sind rechtspopulistische Kräfte, die die gesellschaftlichen Realitäten in der BRD verdrehen und versuchen in Sündenbockmanier die Schuld bei denen fest zu machen, denen es ganz objektiv betrachtet noch schlechter geht: Geflüchtete, Arbeitssuchende oder SozialhilfeempfängerInnen.
Es ist an uns die unter dem Vorwand der Angst vor menschenfeindlichem Terror betriebene rassistische Mobilmachung zu stoppen. Dafür ist es unabdingbar die realen Ziele der PEGIDA-Organisatoren und derren parlamentarischen Gesinungsgenossen der AfD offenzulegen. Wir dürfen nicht zulassen, dass angebliche „Alternativen“ von Reaktionären in die Bevölkerung getragen und soziale Probleme von rechts instrumentalisiert werden. Schließlich liegt die zutieftst rassistische und antisoziale Politik mitnichten im Interesse der großen Mehrheit der Bevölkerung.
Es ist leider auch eine Schwäche der linken Bewegung, dass rechte Massenmobilisierungen und ein Klima dafür entstehen können. Die gemeinsame Antwort auf die Krise und Verwertungslogik des Kapitals darf nicht Rassismus, sondern der gemeinsame Kampf gegen neoliberale Politik mit einer Perspektive einer wirklich anderen, solidarischen Gesellschaft sein.
Rassistische und rechte Auftritte in der Öffentlichkeit gilt es zu verhinden. In der aktuellen politischen Situation haben Blockaden von Menschenmassen in einem Zusammenspiel mit weiteren Aktionsformen sich als durchaus erflogreich bestätigt. Hier können wir auf Erfahrungen zurückgreifen und möglichst viele Menschen an einer kollektiven Aktion partizipieren lassen.
Während sich plötzlich parteiübergreifend immer mehr verbale Antirassisten finden, zeigt sich erst in der Praxis, wie ernst diese Agitation zu nehmen ist. Es gilt nicht nur große Reden zu schwingen, sondern ganz konkret gegen den gesellschaftlichen Rassismus und die Akteure, welchen den Rechtsruck vorantreiben, vorzugehen.
Auch in Stuttgart exisitiert mittlerweile ein lokaler Ableger des PEGIDA-Netzwerks. Zur Verhinderung etwaiger Kundgebungen ruft das Bündnis STOPEGIDA! auf. Achtet auf aktuelle Ankündigungen und beteiligt euch an den Protesten!
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8. Februar HOGESA Nazihooligans in Ludwigshafen
Für den 8. Februar hat die HOGESA Vorgängerorganisation „Gemeinsam-Stark Deutschland e.V.“ (GSD) einen Aufmarsch angekündigt. Die rechten Hooligans wollen die rassistische Mobilmachung nutzen und mit islamophoben Sprüchen auf die Straße gehen. Zu welcher Brutalität sie fähig sind, haben die Hogesa Ausschreitungen in Köln Ende 2014 gezeigt. Lasst uns gemeinsam auch in Ludwigshafen den antifaschistischen Widerstand dagegen unterstützen!
Kontinuierlich antifaschistisch aktiv in Stuttgart!
Seit mehreren Jahren treffen sich im Rahmen des Antifaschistischen Aktionsbündnisses Stuttgart & Region (AABS) monatlich Menschen aus verschiedenen politischen Organisationen und antifaschistisch motivierte Einzelpersonen um sich über rechte Aktivitäten auszutauschen und antifaschistische Praxis zu organisieren.
Es ist ein offenes Treffen zu dem alle herzlich eingeladen sind.
Wir möchten hiermit für das Treffen werben. Das Treffen findet am ersten Donnerstag im Monat um 19 Uhr im Linken Zentrum Lilo Herrmann statt. Das nächste Treffen findet am 5. Februar statt. Weitere Infos auf deren Homepage www.aabs.tk und unter www.linkeszentrumstuttgart.org
Rassistische Stimmungsmache und rechte Aktivitäten in unserer Region
Die CDU Rems-Murr nutzt die rassistische Mobilmachung um sich weiter rechts zu positionieren und stellten vor Kurzem ein Positionspapier zu Zuwanderung vor, in dem sie AsylbewerberInnen aus dem Balkan als Flüchtlinge „wegen persönlicher und wirtschaftlicher Notlagen“ pauschalisieren und den dort herrschenden Antiziganismus nicht im geringsten erwähnen. Während in Feuerbach eine „Interessensgemeinschaft“ aus spießigen AnwohnerInnen, AfD-Bezirksräten und AktivistInnen des extrem rechten, rassistischen Internetportals „Pi-News“, gegen ein geplantes Heim für Geflüchtete wettern, vergleicht der Stuttgarter AfD-Stadtrat Fiechtner den Koran mit dem faschistischen Pamphlet „Mein Kampf“. In Pforzheim sind die „Berserker“ als führende Kämpfer auf den Hogesa-Demos präsent, während in der Silvesternacht dort Neonazis einen migrantischen Imbiss und deren Insassen mit einem Messer attackieren. Wenige Tage später brannte im nahegelegenen Mühlacker ein Denkmal für einen, bei einem Autounfall verunglückten, Migranten.